TRIPTYCHON

Das Triptychon bildet drei Lebensphasen des Joseph Süß Oppenheimer ab: Gesellschaftlicher und beruflicher Aufstieg. Höhepunkt seiner Karriere und scheinbare Überwindung des Stigmas seiner jüdischen Herkunft. Tödliche Bedrohung, Oppenheimers Kampf um Gerechtigkeit und Besinnung auf seine jüdischen Wurzeln.

Die Darstellung zitiert dabei die Protagonisten der drei relevanten politisch-religiösen 
Strömungen jener Zeit: Den katholischen Herzog, die protestantischen Landstände, den jüdischen Hoffaktor.

Drei Zeichen prägen sich in das Angesicht Oppenheimers: Die Kartographie des Landes, Ziffern und Bilanz, das Glaubensbekenntnis שמע ישראל Schma Jisrael »Höre Israel«. Drei Signaturen birgt die Darstellung: Die Unterschriften Luthers, Oppenheimers und Feuchtwangers. Drei Zitate aus Lion Feuchtwangers Roman »Jud Süß« von 1925 untertiteln die Tafeln des Triptychons.


Symbolik der ersten Tafel

Portrait
Ein nachdenklicher, wägender Joseph Süß Oppenheimer zu Beginn seiner Karriere.

Württemberg
Die Aderung der Landkarte Württembergs als Raum der sich anbahnenden dramatischen Geschehnisse senkt sich tief in Antlitz und Gestalt des Juden Oppenheimer.

Schin
Die oberen Ausläufer des hebräischen Buchstaben ש Schin stehen hier für die drei Protagonisten des Landes: den katholischen Herzog, die protestantische Landschaft und den jüdischen Hoffaktor. Als erster Buchstabe des jüdischen Glaubensbekenntnisses, des שמע ישראל Schma Jisrael, spannt das Schin den Bogen zur dritten Tafel. Als Hinweis auf den hebräischen Gottesnamen Schaddai ist das Schin wiederkehrendes Motiv in Feuchtwangers Roman Jud Süß:
 »…über der Nase zackten sich tief in die Stirn die drei Furchen des Schin.«

Martin Luthers Signatur
Luthers Unterschrift steht hier für den durch die Reformation beförderten gesellschaftlichen Wandel. Die Neuausrichtung der Machtverhältnisse und die lutherische Ausprägung der protestantischen württembergischen Landschaft zur Zeit Oppenheimers.

Und ihren Lügen
Luthers spätere judenfeindliche Schriften prägen das Judenbild. Selbst nicht frei von Unwahrheiten sind sie richtunggebend für Gerüchte, Anklagen und Vorurteile. Darum zeigt das Bild nur die letzten drei Worte des Titels von Luthers 
Schrift »Von den Juden und ihren Lügen«.

Kreuz
Das protestantische Kreuz der Kapelle des Stuttgarter Schlosses wird auf der zweiten Tafel neben dem Portrait des katholischen Carl Alexander zitiert. Es steht für die streitenden Kräfte des Protestantismus und Katholizismus.


Symbolik der zweiten Tafel

Portrait
Der im Glanz stehende, stolze Joseph Süß Oppenheimer auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

Suma
Die summierten Zahlenkolonnen deuten auf die wirbelnden Finanzaktionen Oppenheimers hin. Eine Liste der durch des Herzogs Geheimen Finanzrat eingezogenen Gelder, die als Beweismaterial im späteren Prozess gegen Joseph Süß Oppenheimer zusammengestellt wurde.

Herzog Carl Alexander
Das Portrait Carl Alexanders zeigt die schicksalhafte Verknüpfung des Herzogs mit seinem Finanzrat.

Hirsch
Ein Hinweis auf den alttestamentarischen Hirsch, welcher auch für Stärke und Macht steht, und das württembergische Wappen Carl Alexanders mit seinen drei Hirschstangen.

Joseph Süß Oppenheimers Signatur
Zu seinen ruhelosen Händen die Signatur des Joseph Süß Oppenheimer. Mit diesem Handzeichen unterzeichnet er später auch ein Kassiber an seinen Anwalt, den er fragt: »Sagen Sie mir umb Gottes Willen, ist mein Sach so gefährlich auffs Leben?«


Symbolik der dritten Tafel


Portrait
Joseph Süß Oppenheimer, ahnungsvoll, vom Tode bedroht.

Vogel
In perfider Metapher soll Joseph Süß Oppenheimer in einem Vogelkäfig erwürgt werden. Der mit seiner Schwinge den Angstvollen stützende Vogel steht hier für die alttestamentarische Klage »Ich wache und klage wie ein einsamer Vogel auf dem Dache. Täglich schmähen mich meine Feinde, und die mich verspotten, fluchen mit meinem Namen.« (Ps 102,8)

Schma Jisrael
Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer konvertiert nicht. Er stirbt mit dem jüdischen Glaubensbekenntnis שמע ישראל Schma Jisrael auf den Lippen, welches sich auf dieser Tafel in den Flügel des Vogels schmiegt.

Luciana Fischer
Der traurige hoffnungslose Blick der Luciana Fischer. Die Ankläger Oppenheimers inhaftieren auch seine christliche Lebensgefährtin. Sie ist schwanger. Der gemeinsame Sohn stirbt im Kerker. Luciana Fischer wird schließlich erniedrigt und zerstört aus dem Land gejagt.

Execution
Der mit Spottversen versehene »Umständliche(r) Bericht von der Execution des Juden Süß Oppenheimers« steht hier als entlarvendes Zeugnis willfähriger Verleumdung und anhaltender Judenfeindlichkeit.

 

Im Hintergrund, der alle drei Bildtafeln durchzieht, trifft kristallenes Wasser auf glühendes korinthisches Erz und schießt feurig in samtschwarze Nacht. Metaphern für die lebensspendende und reinigende Kraft des Wassers und die ihm assoziierten religiösen Riten, die lockende, verzehrende und gefährliche Macht edler Metalle und das tröstlich Hüllende der Dunkelheit.

Die bei der Lektüre des Romans Jud Süß von Lion Feuchtwanger assoziierten und visualisierten Bilder begleiten die Wiederherstellung der Reputation Oppenheimers als künstlerisches Projekt. Ein Beitrag, dem jahrhundertealten Zerrbild vom Judentum, Antijudaismus, Antisemitismus und Rassismus entgegenzuwirken.

 

René Blättermann | 2017

 

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